Gedenken an die ermordeten jüdischen Bürger von Kornelimünster

Deportation in den Holokaust vor über 80 Jahren, im Juli 1942

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Um das Jahr 1200 ist aus der „Aachenschen Geschichte“ die „Judengasse“ bekannt.

Es gab in der Stadt ein jüdisches Viertel. Mit dem 1. Kreuzzug (1095/96) begann eine mehr als 300-jährige Zeit grausamer Pogrome und Vertreibungen aus den Städten, so aus Köln: 1424 und Mainz: 1438, den Reichsstädten mit den größten jüdischen Gemeinden.
Die Juden flüchteten ins ländliche Umfeld der Städte. Als auch das Herzogtum Jülich im Jahr 1554 begann, taufunwillige Juden auszuweisen, fanden sie teilweise, gegen erhebliches Entgelt, Duldung im Gebiet der Reichabtei Kornelimünster.
Dort dürfte es bereits vor 1600 eine jüdische Gemeinde gegeben haben, denn ein Sterbebuch von St. Stephan berichtet 1610 von einem „Mord am Judenfriedhof.“ Das Steuerverzeichnis der Reichsabtei belegt für das Jahr 1684 die Zahl von 7 jüdischen Familien. Aus dem Jahr 1694 datiert das von Abt Gevertzhagen erteilte Patent, das dem „Michaelen Salomons Juden“ für 5 Goldgulden im Jahr Schutzgeleit bot. Die Erhebungen der Franzosenzeit, von 1794 bis 1814, geben ein genaueres Bild der jüdischen Gemeinde, deren Mitglieder sich mit Viehhandel, Schlachterei und Metzgerei beschäftigten. Bis 1875 stieg die Gemeindestärke auf 55 Personen in 11 Haushalten. Immer noch arbeiteten die meisten Männer im alten Gewerbe. Hinzugekommen waren die zwei Warenhandlungen von Norbert Kaufmann und Mathias André. Es waren die einzigen im Ort. Bis nach 1900 ging die Gemeinde durch Abwanderung in die Städte, vor allem nach Aachen, stark zurück. Bis 1920 wuchs sie wieder auf 29 Personen an. Bereits seit Mitte der 1920-er Jahre begann sich NS-Aktivität im Ort zu regen. Mit der provokanten Werbung: „Juden haben keinen Zutritt!“ hatten lokale und Aachener NS-Anhänger, für den 17. Juli 1926, nach Kornelimünster zu einer antisemitischen Kundgebung eingeladen. Sprechen sollte NS-Redner Dr. Ley, einer der übelsten Judenhasser. Da die örtlichen Wirte den Veranstaltern ihre Räumlichkeiten verweigerten, fand die Veranstaltung um Freien statt, „in der Promenade.“ In Ermanglung einer Bühne oder eines Rednerpultes stand der Redner auf der Mauer des Weihers. Die Veranstaltung endete wie zu erwarten, mit einer wilden Schlägerei der NS-Anhänger mit den zahlreich erschienen jüdischen Besuchern. Da erstere in der Unterzahl waren, holten sich etliche von ihnen eine blutige Nase. In seiner 2. Augustausgabe kommentierte das „Gemeindeblatt der Synagogengemeinde zu Aachen und Umgebung“: „Dass den antisemitischen Jünglingen die Lust an weiterer antisemitischer Arbeit wohl vergangen sein dürfte.“ Wie krass diese Fehleinschätzung war, erwies sich nach der Machtergreifung Hitlers im Januar 1933: Der Druck auf die jüdischen Bürger nahm rasch und stetig zu, infolge der unmittelbar einsetzenden Entrechtung, der Ausgrenzung und offener wie versteckter Gehässigkeiten von Mitbürgern. Diese mehr als unangenehme Entwicklung versuchten die jüdischen Bürger im ländlichen Kornelimünster, wo jeder jeden kannte, durch Wegzug in die anonyme Großstadt zu vermeiden. Bereits vor der Pogromnacht vom 9/10. November 1938 war 1934 Henriette Kaufmann zu ihrem Mann Max André nach Aachen verzogen. In dessen Haus fand im Sommer 1938 Artur Gottschalk mit Ehefrau Bertha und Sohn Kurt Aufnahme. Seit Jahresmitte 1937 lebte Ilse Klaber mit Ehemann Fritz, dem 2-jährigen Werner in Fritz´ Heimat Breyell, wohin 1938 auch Ilses Mutter Margarete Kaufmann zog. Zum 1. April 1939 mussten Leopold und Amalie Kaufmann in ein Aachener Judenhaus umziehen. Sie konnten, wie vorgeschrieben, in Kornelimünster keine Wohnung mehr bei einem jüdischen Vermieter finden. Während die 3 in Aachen gebliebenen Familien, bis zu ihrer Deportation 1942 noch eine schlimme Zeit mit katastrophaler Unterbringung in Aachener Judenhäusern durchmachen mussten, wurden Margarete Kaufmann, Ilse und Werner Klaber bereits im Dezember 1941 mit dem Transport „D 38“, bei strengstem Winterwetter in 60stündiger Zugfahrt, von Düsseldorf ins berüchtigte Ghetto Riga deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Im Sommer 1941 wurden Hermann, Terese und Tochter Berta André, als letzte der jüdischen Gemeinde, von Ihrem Anwesen, Dorffer Straße 53, in Kornelimünster vertrieben. Die Eltern wurden ins Lager Hergelsmühle/Haaren eingewiesen. Tochter Berta wurde mit dem 1. Kölner Transport vom 22. Oktober 1941 nach Lodz deportiert. Artur, Bertha und Kurt Gottschalk wurden mit dem Transport „Da 17“ am 28. 3. 1942, Leopold und Amalie Kaufmann wurden am 15. 6. 1942 mit dem Transport Da 22“ nach Izbica deportiert, das den Beinamen „Drehscheibe des Todes“ hatte, weil die Deportation in einem der Todeslager Majdanek, Sobibor oder Chelmno endete. Am 25. 7. 1942 wurden Max und Henriette André wie auch Hermann und Terese André mit dem Transport „Da 71“ ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Alle wurden im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Merke: Es gibt Untaten, über die kein Gras wächst! (Johann Peter Hebel, 1760 bis 1826)

von Dr. Rudolf Wagemann

Das Buchprojekt wurde unterstützt vom "Gedenkbuchprojekt e.V." für die Opfer der Shoah aus Aachen und dem "Heimat- und Eifelverein Kornelimünster e. V."

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