Unsere Grenze

von Dr. Rudolf Wagemann

 
Das Leben mit dem „Euro“ im „Schengen-Raum“ lässt uns im Alltag und auch beim Wandern vergessen, dass wir nur wenige Kilometer von einer historischen Grenze leben, die - von geringeren Verschiebungen abgesehen – die seit mehr als 1000 Jahren besteht.

Erst mit der Pandemie wurde uns bewusst, dass sie noch existiert und uns unversehens von den belgischen Nachbarn trennte. Ihre Wurzeln gehen auf die Zeit Kaiser Ludwigs des Frommen (778 - 840) zurück.
Als Kaiser Karl der Große im Jahr 814 starb, lebte von seinen ursprünglich 5 Söhnen nur noch Ludwig, seit 781 König in Aquitanien und seit 813 Mitkaiser. Also war Ludwig, der später den Beinamen der „Fromme“ erhielt, Karls Alleinerbe. Im Frankenreich bildete zwar der Maasverlauf eine Sprachgrenze, aber zwischen Maas und Rhein gab es damals keine Staatsgrenze. Nur drei Jahre später, im Jahr 817, in dem Karls Nachfolger Ludwig seinen Berater, den Mönch Benedikt von Aniane, in sein neues Kloster „Inda“, heute Kornelimünster, geholt hatte, führte Kaiser Ludwig eine neue Nachlassregelung ein, die „Ordinatio Imperii“, zu deutsch: „Ordnung des Reiches.“ Damit wurden, abweichend vom für alle gleichen Erbumfang, den Söhnen Lothar, Pippin und Ludwig II, unterschiedliche Teilkönigreiche zugewiesen innerhalb des Frankenreiches. Wesentlichster Aspekt der zum Gesetz erhobenen und auf einer Reichsversammlung in Aachen beschworenen Erbregelung war der Erhalt des fränkischen Gesamtreiches.
Sohn Pippin erhielt das Teil-Königreich Aquitanien im Süd-Westen des Frankenreichs, bestehend aus dem heutigen Frankreich südlich der Loire. Dort wurde nicht fränkisch sondern Vulgärlatein gesprochen, das sich aus dem Latein der römischen Besatzungstruppen ableitete.
Sohn Ludwig II, später der „Deutsche“ genannt, wurde zunächst König in Bayern, im Süd-Osten des Reichs.
Im Mittelreich, zwischen den beiden Teilkönigreichen, sollte der älteste Sohn Lothar herrschen, Mitkaiser seit 817. Er sollte zukünftig die Kaiserkrone tragen. Aus dem Erfordernis, dass im Herrschaftsbereich des Kaisers, sowohl das Gebiet zwischen Rhein und Maas mit Aachen, der „Hauptstadt des Gesamtreiches“, als auch Rom, die unter dem Schutz des Kaisers stehende Stadt der Päpste, liegen sollte, hatte sich der ungünstige Zuschnitt des Mittelreiches ergeben, das von der Nordsee bis nach Mittelitalien reichte. Es war deutlich grösser als jedes der anderen Teilkönigreiche. Ausgerechnet diese Bevorzugung Kaiser Lothars und des Mittelreichs, trieb den Neid der beiden Brüder an, nach Kaiserkrone und Erweiterung ihrer Teilkönigreiche, auf Kosten des Mittelreiches, zu streben.
Ludwig hatte sich, als kluger Herrscher, die Ordinatio Imperii gut überlegt, aber seine Natur außer Acht gelassen. Neben den drei Söhnen aus erster Ehe, sollte, seit dem Jahr 823, auch Sohn Karl, später der „Kahle“ genannt, aus Ludwigs 2. Ehe am Erbe teilhaben. Das sollte sehr schwierig werden, weil Kaiser Ludwig dem nachgeborenen Karl, in Abweichung von der gesetzlichen Regelung der Ordinatio Imperii, ein eigenes dort nicht vorgesehenes, Teilreich „Alamannien,“ im Gebiet des Oberrheins, schaffen wollte. Aus diesem Rechtsbruch folgte eine mehr als 50 Jahre währende, blutige Familienfehde. Zweimal, 830 und 833 wurde Kaiser Ludwig, von seinen uneinigen Söhnen aus erster Ehe, abgesetzt, in unwürdiger Form gefangen gehalten und endlich wieder in sein kaiserliches Amt eingesetzt.
Als Pippin 838 starb, wurde Karl König in Aquitanien. Nach dem Tod Kaiser Ludwigs im Jahr 840 flammte ein grausamer Bruderkrieg auf. Die 2 jüngeren Brüder Ludwig und Karl taten sich zusammen gegen den Ältesten, Kaiser Lothar. Nach dessen verheerender Niederlage beim burgundischen Fontenoy (841) wurden aus dem Frankenreich im Vertrag von Verdun (843) drei unabhängige Reiche. Ihre Grenzen wurden in unserer weiteren Heimat durch den Verlauf der Flüsse Maas und Rhein vorgegeben. Danach sind im Westteil bereits die Umrisse von Frankreich und im Ostteil die von Deutschland grob wahrnehmbar. Nach dem Tod Kaiser Lothars II im Jahr 869, erfolgte die Aufteilung seines Mittelreichs im Vertrag von Meersen/ Maas (870). Damit war die heutige Grenzziehung erkennbar. Der von Kaiser Ludwig bereits mit Privilegien reich bedachten Abtei Inda seines Ratgebers Benedikt machte Kaisersohn Ludwig II im Jahr 842, mitten in jenem schicksalhaften Bruderkrieg, das Gut Crasciniacum, das heutige Gressenich, zum Geschenk.

Heute ist die 1000 Jahre umstrittene Grenze schon lange friedlich!

Trotz Schengen, Euro und selbst ohne Pandemie werden wir sie wohl nicht mehr los: Die Grenze!

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